Stellungnahme der IG Flussviertel zum Bebauungsplan Kennedyallee 62-72

Dokumentation des Schreibens an die Stadt Bonn, welches die bisher von der „Interessengruppe Flussviertel“  gegenüber der Stadtverwaltung und Bezirksvertretung Bad Godesberg eingebrachten Wünsche zusammenfasst, das geplante o.g. Objekt auch im Sinne der betroffenen Anwohner und Anwohnerinnen zu gestalten – hier auch als PDF.

Vor diesem Hintergrund einleitend zwei grundsätzliche Bemerkungen:

Bisher wurde keiner der Bitten und Anregungen des von über 150 Anwohnerinnen und Anwohnern getragenen Bürgerbegehrens berücksichtigt (die Unterschriftenliste der Anwohnerinnen und Anwohner des Flussviertels liegt Ihnen ja bereits vor). Die von den VertreterInnen des Stadtrates, der Bezirksvertretung und der Stadtverwaltung immer wieder angesprochenen Kompromisslösungen sind bisher nicht erkennbar. Derzeit werden nach jetzigem Sachstand vor allem auf Betreiben des städtischen Planungsamtes die Interessen und Planungen der GerchGroup realisiert, dies insbesondere auch im Hinblick auf die Verdichtung zu Lasten der beiden für das Kleinklima des Quartiers bedeutenden Waldstreifen.

Wenn die Stadt Bonn ihre eigenen Beschlüsse zum Klima ernst nehmen will, sollte der Blick zur Klimaerhaltung nicht nur auf die Urwälder Brasiliens, sondern vor allen Dingen auf die Bewaldungen und Grünanlagen in der Stadt Bonn gerichtet werden. Und damit komme ich auf ein Kernanliegen der Interessengruppe Flussviertel zu sprechen.

Der Stadtrat möge einen Bebauungsplan beschließen, der gewährleistet, dass der Investor/die GerchGroup  ihre Planungen dahingehend überarbeitet, dass die Waldstreifen/Baumgürtel erhalten bleiben.

Begründung:

  1. 60 Jahre alter Baumbestand (ca. 170 Bäume)
    Der Erhalt der Baumgürtel mit hohem, 60jährigen Baumbestand ist für das Kleinklima des Quartiers dringend notwendig. Laut Planungsunterlagen der Stadt ist die versiegelte Fläche des Postbank-Geländes die heißeste Zone von Bad Godesberg. Das Areal stellt jetzt schon – noch vor der geplanten expansiveren Nutzung durch die GerchGroup – die am intensivsten versiegelte  Fläche im Stadtbezirk dar. Ersatzpflanzungen in dem notwendigen Umfang sind trotz der gegenteiligen Äußerungen der GerchGroup auf der Mitte des Areals gar nicht möglich, da das bebaute Areal auf einer Tiefgarage steht. Hier ist ebenfalls zu bedenken, dass im angrenzenden Areal, auf dem das BSI errichtet werden soll, ebenfalls Baumfällungen in äußerst umfangreichen Maße erfolgen werden. Ausdrücklich weise ich darauf hin, dass in den zwei Waldstücken/Baumgürteln von jeweils etwa 200 × 25 m Ausmaß eine große Anzahl von Tieren, auch solche unter Artenschutz stehend wie Fledermäuse oder Sperber, ihre Heimat gefunden haben. Mit dem Fällen von ca. 80 alten, unter die Baumsatzung fallenden Bäumen würde ein Biotop vernichtet.
  2. Fehlender Begrünungsplan
    Die Interessengruppe Flussviertel regt ausdrücklich an, dass vor einer Entscheidung der Bezirksvertretung und des Stadtrates über den Bebauungsplan die GerchGroup klare Planungen vorlegen muss, wie sie sich die Bepflanzung des Areals konkret, speziell der Baumgürtel, vorstellt. Also: welche der jetzt im Baumgürtel wachsenden 170 Bäume bleiben definitiv erhalten, welche werden neu angepflanzt? Werden auch bereits hochgewachsene Bäume angepflanzt oder nur kleine, die erst in einigen Jahren einen Sichtschutz und in noch mehr Jahren Sauerstoff-Spender wie die jetzigen Bäume darstellen? Wie werden die alten Bäume bei der über drei Jahre dauernden Abriss- und Neubebauungsphase geschützt (z.B. Bauzaun) und gepflegt (Bewässerung während Erdaushub im großen und längeren Umfange etc.)?Die vorgelegten Planungszeichnungen erwecken fälschlicherweise den Eindruck, dass weit über 50 % des Grünstreifens erhalten bliebe. Ich mache darauf aufmerksam, dass vor allem wegen des Wurzelwerkes, das erheblich durch die Baumaßnahmen betroffen sein wird, wohl nur ein kleiner Teil des Baumbestandes beim jetzigen Planungsstand überleben wird. Nur aufgrund konkreter Planungsunterlagen über die geplante Erhaltung der Grünstreifen können doch erst weitere Entscheidungen über die Änderung des Bebauungsplan erfolgen, wenn man das selbst gesetzte Klimaziel ernst nimmt.Das immer wieder vorgetragene Argument, dass ein Teil der des Baumbestandes krank sei, kann kein Argument zur Fällung der Bäume damit zur Veränderung des Grünstreifens/der Baumgürtel sein. Es zeigt viel mehr, wie der vorherige und jetzige Eigentümer (GerchGroup) mit dem Baumbestand fahrlässig umgehen beziehungsweise umgegangen sind. Im Übrigen wird es keinen Wald oder Grünanlagen geben, in denen nur 100prozentig gesunde Bäume stehen. In jedem Wäldchen /Wald oder Grünanlage stehen auch Bäume mit Defiziten, deshalb werden sie nicht gleich gefällt.
  3. Überzogene Verdichtung
    In der jetzt geführten Diskussion wird als Begründung für die Planung immer wieder auf die Notwendigkeit der Verdichtung im urbanen Raum hingewiesen. Doch auch diese Verdichtung sollte in einem vertretbaren Maße und passend zum jetzigen Wohnumfeld erfolgen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass von den Architekten die von der GerchGroup im Architektenwettbewerb vorgegebene zu bebauende Brutto-Grundfläche( BGF) von circa 40.000 m² selbstständig auf über 43.000  m² erhöht wurde. Es wurde im Zielbeschluss der Stadt von 200 bis 300 Wohnungen gesprochen, jetzt von 380 Wohnungen. Das ist alles sehr gut für die finanziellen Interessen des Investors – der alle Büro- und Wohnungseinheiten nach Erstellung mit Gewinn veräußern will – , aber schlecht für die 150 betroffenen Nachbarn – alles  Bonner Bürger und Bürgerinnen – und auch für die zukünftig im Areal dort dann sehr eng wohnen müssenden Menschen. Auch dies ließe sicherlich Raum für die immer wieder von der stadtpolitischen Seite angesprochenen Kompromisse. Oder konkret: kompletter Rückzug der Bebauung aus dem Grüngürtel/Baumgürtel und eben nur Realisierung der Bebauungsdichte/des Bebauungsumfangs wie anfangs von der GerchGroup beabsichtigt und wie von der Bezirksvertretung Bad Godesberg im Zielbeschluss ausgehend.
  4. Stadtentwicklung und Stadtgeschichte
    In den geführten Gesprächen fiel mir immer wieder auf, dass keinerlei Kenntnisse über die historische Entwicklung dieses Areals bei der Stadtverwaltung und den Kommunalpolitikern vorhanden waren. Die Planungen des Flussviertels sind nach Ende des Zweiten Weltkrieges darauf ausgerichtet gewesen, eine Siedlung im Sinne einer „Gartenstadt“ mit Nähe zur Bauhaus-Architektur zu errichten. Eine relativ niedrige Bauweise gepaart mit Grünanlagen sollte das Quartier prägen. Dies ist bis heute sichtbar und stadtplanungsgeschichtlich sollte dies für die Stadt Bonn von hohem Interesse sein.Vor diesem Hintergrund ist in den 1960-Jahren der Bebauungsplan für das Areal Kennedyallee 62-72 von der Stadt nur mit der Auflage genehmigt wurden, entsprechende Baumgürtel mit hohem Baumbewuchs zu den benachbarten Häuserreihen zu pflanzen und zu pflegen. Da Bebauungsplanung auch Sicherheit für Nachbarn generieren soll, haben viele Menschen im Flussviertel im Vertrauen auf Planungssicherheit ihre Häuser zum Teil mit hohem finanziellem Engagement erworben und renoviert.

Die immer wieder vom Planungsamt vorgetragene Ansicht, dass in Städten Wandel zu tolerieren sei, soll nicht widersprochen werden . Doch Wandel soll Veränderung zum Besseren sein und muss die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen.