Interessenausgleich heisst: Geschossfläche um 10 % verringern zugunsten Baumbestand und Abstandsflächen

Wir dokumentieren hier eine weitere Stellungnahme aus der Nachbarschaft zur Kennedyallee 62-72 – hier auch als PDF.

Die Häuser in der Ahrstraße wurden als Tessenow-Siedlung der Frankfurter Siedlungsgesellschaft im Jahr 1952 im Sinne einer Gartenstadt mit Nähe zur Bauhaus-Architektur errichtet. Die Planung erfolgte durch den Kölner Architekten Ernst Gondrom in Erinnerung an den bedeutenden deutschen Vertreter der Reformarchitektur Heinrich Tessenow . Gegenüber der neuen Siedlung war bis 1968 eine durchgehende Grünfläche, die Ausläufer der „Plittersdorfer Aue“ war.

Mit der Erstellung des Bebauungsplan 8118-64 (beschlossen 1966) zur Errichtung der damaligen Lastenausgleichsbank wurde – auch aus heutiger Sicht – in vernünftiger Weise die Interessen der Bauherren und der Eigentümer der vorhandenen Wohnbebauung abgewogen, die ursprünglich ihre Häuser entlang einer großen Grünfläche errichtet hatten. Als Ergebnis dieser Abwägung erfolgte eine Festsetzung von Grünstreifen im Bebauungsplan:

„… als Grünanlagen zu gestalten und mit Bäumen und Sträuchern intensiv zu bepflanzen, so dass eine Einsichtnahme von den Grundstücken entlang der Ahrstrasse und Moselstrasse nach 3 Jahren – gerechnet ab Fertigstellung der Baukörper – unmöglich ist.“

Auch wurden (im Plan gepunktet markiert) entlang der südlichen Ahrstraße ein Abstand der Gebäude zur Grundstückgrenze von mindestens 8 m festgesetzt, der mit Rosen zu bepflanzen sei. Die neue 3-geschossige Bebauung korrespondiert so mit den gegenüberliegenden 2-geschossigen Wohngebäuden, die ebenfalls nicht bis an den Grundstücksgrenze gesetzt sind, sondern anteilig im gleichen Maße um 5 m zurückliegen.

Sollte die vorgelegte Planung der neuen Bebauung des Grundstücks Kennedyallee 62-72 umgesetzt werden, wird die im bisherigen Bebauungsplan gefundene Interessen-Abwägung verlassen. Es wird zugunsten den Interessen des Bauherr an maximaler Brutto-Geschossfläche gegen die Interessen der Anwohner an einer grünen klimafreundlichen Umgebung entschieden, in der sie ursprünglich ihre Wohngebäude errichtet haben.

Begründung

Die GerchGroup AG konnte zum Zeitpunkt ihres Grundstückskaufs im Mai 2018 in ihren Renditeberechnungen von einem Anteil an gefördertem Mietwohnungsbau von 30 % ausgehen, aus dem wenig Gewinn erwirtschaftet werden kann. Der Anteil im Bonner Baulandbeschluss wurde am 10. Juli 2018 aber dann von 30 % auf 40 % erhöht. Dies würde erklären, dass die Brutto-Geschossfläche für den Wettbewerb auf einen hohen Wert festgesetzt wurde, um das bisherige Verhältnis zwischen Grundstücksgröße und nutzbarer Fläche (Geschossflächenzahl als Maß der baulichen Nutzung) der alten Postbank von 1,0 auf 1,3 zu erhöhen. Auch verglichen mit den neugebauten Rheinaugärten an der Kennedyallee mit Werten zwischen 0,8 bis 1,2 liegt der angestrebte Wert deutlich höher, in der Amerikansichen Siedlung beträgt er 0,6.

Mit einer gewünschten Brutto-Geschossfläche von 40.000 m² wurde ein Architekten-Wettbewerb der GerchGroup AG ausgeschrieben u. a. mit dem Kriterium „Vollständiger Erhalt des Grünstreifens“. Es ist verwunderlich, dass sich kein teilnehmendes Büro an dieses Kriterium gehalten hat. Auch der als Sieger benannte Entwurf „casper.schmitzmorkramer, Köln“ greift teilweise massiv in die Grünstreifen ein. Aus Sicht des Investors hat der Entwurf aber den Vorteil einer Brutto-Geschossfläche von 43.000 m². Mittlerweile sind aus den im Zielbeschluss der Bezirksvertretung genannten 200 bis 300 Wohneinheiten auch 380 Einheiten geworden.

Die erforderliche Interessenabwägung zwischen

  • dem öffentlichen Interesse an Erhöhung des geförderten Wohnungsbestands,

  • dem öffentlichen Interesse an Artenschutz und klimafreundlicher Bebauung,

  • dem Interesse der hier wohnenden Menschen am Bestand der vorhandenen Flächen mit Bäumen und Sträuchern sowie dem gleichen Abstand zur südlichen Ahrstraße,

  • dem Interesse der GerchGroup AG an einem angemessenen Gewinn durch die Investition in das Grundstück

muss zu dem Ergebnis kommen, dass eine Verringerung der von der GerchGroup ursprünglich angestrebten Bruttogeschossfläche von 40.000 m² um ca. 10 % erforderlich ist, damit

  • entsprechend der Anforderungen des Architekten-Wettbewerbs das Kriterium „Vollständiger Erhalt des Grünstreifens“ eingehalten wird,

  • genauso wie die an der südlichen Ahrstraße gegenüberliegenden kleinteilige 2-geschossige Wohngebäude einen Abstand zur Grundstücksgrenze von 5 m haben, die neu geplante 3-geschossige Bebauung mindestens einen Abstand von 8 m hat (entsprechend mehr bei höherer Bebauung).

Auch mit dieser Flächenreduktion auf 36.000 m² wäre der im Zielbeschluss genannte Korridor von 200 bis 300 Wohneinheiten zu verwirklichen. Für den zukünftigen Bebauungsplan bedeutet dies, dass in den beiden Punkten die Kriterien des Bebauungsplans 8118-64 von 1966 keiner Änderung bedürfen und weiterhin Bestand haben sollten. Die vorgelegten Planungen sind hier anzupassen.

Schlussbemerkung

Beim Erwerber des Grundstücks der Postbank AG der GerchGroup AG handelt es sich um einen Projektentwickler, dessen Ziel nicht die Erstellung und spätere nachhaltige Bewirtschaftung von Büro- und Wohngebäuden ist, sondern der Bau von Gebäuden jeglicher Art, um mit deren Verkauf an Investoren einen maximalen Gewinn zu erwirtschaften (siehe auch die Aktivitäten der GerchGroup AG beim Quelle-Versandzentrum in Nürnberg oder Robotron-Areal in Dresden) . Wir stehen hier keinem Wohltäter der Stadt Bonn gegenüber der Wohnraum schaffen will, sondern einer kühl kalkulierenden Kapitalgesellschaft, die im Interesse ihrer Aktionäre handelt.

Die Grundstückskauf der GerchGroup AG war eine unternehmerische Entscheidung, die mit Risiken verbunden ist. Zu diesen Risiken gehört die nach dem Kauf erfolgte Erhöhung des zu schaffenden Anteils an gefördertem Mietwohnungsbau von 30 % auf 40 % durch den Stadtrat. Dies unternehmerische Risiko soll nun durch Zerstörung von altem Baumbestand sowie massiver Randbebauung bis an die Grundstücksgrenze zur südlichen Ahrstraße auf die Allgemeinheit bzw. die hier wohnenden Menschen abgewälzt werden. Dies widerspräche den klimapolitischen Anstrengungen der Stadt Bonn, die den Klimanotstand ausgerufen hat und würde zu noch mehr Flächenversiegelung und Aufheizung des Quartiers im Sommer führen.

Auch ist es verwunderlich, dass die im Baugesetzbuch § 3 für eine frühzeitige Bürgerbeteiligung genannten „sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen,“ nicht seitens des Stadtplanungsamtes aufgezeigt werden. Hier wäre z. B. der Entwurf Nr. 3 aus dem Architekten-Wettberwerb zu nennen, der weitgehend die Baumgürtel erhält. Unverständlich, dass für einen solch umfangreichen Eingriff in eine seit mehr als 50 Jahren bestehende Quartiersstruktur die Stadt Bonn den Entwurf eines Projektentwicklers als „alternativlos“ zu betrachten scheint.

Dieser Planung kann nicht unverändert von unseren gewählten Vertretern in Bezirksvertretung und Stadtrat zugestimmt werden.