Postbank-Gelände: Schützenswerte Wald-Areale nach UNFCCC-Definition

Wir dokumentieren hier eine weitere Stellungnahme aus der Nachbarschaft zur Kennedyallee 62-72 – hier auch als PDF – sowie ein der Stadt übersandtes Gutachten, welches feststellt:
Entsprechend der Definition des in Bonn beheimateten UN-Klima-Sekretariats (UNFCCC) handelt es sich um schützenswerte Wald-Areale mit eigenem komplexen Ökosystem und Binnenklima.

Der ausgelobte Gewinner des Archtikturwettbewerbs für die Bebauung dieses Areals nimmt durch die Rodungen der Waldflächen eine erhebliche Schädigung des vorhandenen Ökosystems in Kauf.

Die Stadt Bonn hat in ihrer Beschlussvorlage zur Bebauung des ehemaligen Postbank Areals vom 19.11.2018 200-300 Wohneinheiten mit einer Bruttogeschossfläche (BGF) von 40.000 qm nebst Büroflächen und Flächen für die ständige urbane Nutzung” als Ziel festgelegt. Ergänzend wird dort festgehalten, dass das Bestandsgebäude „längsseitig von einem ca. 40 m breiten, dicht bewachsenen Grünstreifen umgeben ist”.

Einer verantwortungsvollen und vorausschauenden Stadtplanung unterstelle ich, dass sie in einer Weise plant, dass Beschlussvorlagen wie o.g. ein bestimmtes Rational zugrunde liegt, aus dem sich die Auswirkungen auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen und auf das Mikroklima in diesem Teil der Stadt ergeben. Dass Bonn ein Klimaproblem zu haben scheint, ist aus der Ausrufung des Klimanotstands am 04.11.2019 durch den Bonner Stadtrat zu schließen. Um so mehr verwundert es, dass der Gewinner des anschließenden Architekturwettbewerbs nun plötzlich 380 kleinteilige Wohneinheiten auf 42.627 qm bauen wird. Die Gebäude werden großzügig in den dicht bewachsenen Grünstreifen hinein gebaut.

Wohneinheiten: 127-190% des Ausgangswerts im Zielbeschluss.
Bruttogeschossfläche: Plus 6.6%.
Dicht bewachsener Grünstreifen mit 211 nach Bonner Baumsatzung geschützten Bäumen: war einmal.
Klimanotstand: Lippenbekenntnis.

Die enorme Abweichung des Architekturentwurfs vom Zielbeschluss und das Opfer eines privaten Waldes nach UNFCCC-Definition wird von der Jury, die diesen Entwurf auswählt, nicht einmal erwähnt. Warum?
Die Architekten caspar.schmitzmorkramer, Köln heben in ihrem Erläuterungstext den „Baumbestand und die beiden großzügigen Grünachsen an den Grundstückslängsseiten (als) einen attraktiven Standort in direkter Nähe zum Rhein” mit der „kleinteiligen Bebauung zur Nachbarbebauung” hervor. Dass dieser Baumbestand geopfert wird, damit die vierstöckigen (Staffelgeschoss) Blocks maximal dicht an die 1,5 geschossige Nachbarbebauung heranrücken kann, wird unterschlagen.

Da die städtischen Beweggründe recht vage sind und die Wahl des Gewinners in gewissen Punkten wenig transparent ist, versuche ich nun in Folge meine Fragen so präzise wie möglich zu stellen und bitte um Aufklärung, um beurteilen zu können, was auf dem Grundstück der GerchGroup passieren wird.

Dieser Grünstreifen hatte die Aufgabe, durch gezielten Bewuchs die bestehende Nachbarschaft vor der Monumentalbebauung der Postbank zu schützen. Wieso fällt dieses Schutzbedürfnis, dem damals in der vorliegenden Form Rechnung getragen wurde, nun weg? Verschattung auf der sonnenabgewandten Seite, Wärmeabstrahlung auf der anderen Seite, reduzierte Belüftung und reduzierte CO2-Reduktion sind die Folgen. Die vorgeschriebenen Kompensationspflanzungen können kurz- oder mittelfristig keinen Ersatz für den knapp 60 Jahre alten Wald liefern.

Die Firma Banks hat in ihrem Baumgutachten 222 Bäume identifiziert, von denen 95% unter die Bonner Baumschutzsatzung fallen. Hat die Stadt Bonn einen Plan, welche Bäume konkret dem Bau weichen müssen und welche durch den Bau in der Folge absterben werden. Ich bitte hier um die konkreten Daten. Welche Bäume (mit Nummer aus dem Gutachten von Banks) bleiben stehen?

Dem generellen Attest über den Wald durch den Bonner Haus und Hof-Gutachter Banks stimme ich übrigens nicht zu. Ich bitte hier um qualifizierte Stellungnahme der Stadt zum anliegenden Gutachten, das den Wald weitgehend anders beurteilt.

Des Weiteren bitte ich um Information, ob Verlust des Waldes im Klimaschutzbeirat besprochen und beurteilt wurde und wenn nein, warum nicht. Welche Auswirkung hat die Rodung der Bäume auf den CO2-Ausstoss in der Stadt?

Welchen Einfluss hatte die Ausrufung des Klimanotstands bisher auf den Entwurf von caspar.schmitzmorkramer? Wie gedenkt die Stadt auf die sich durch den Klimanotstand geänderten Rahmenbedingungen (bezüglich der Rodung von innerstädtischem Wald) zu reagieren? Wird sich Ihr Klimaschutzbeirat damit befassen? Wann? Ich bitte um Einladung zu der Sitzung.

Das Gebäude mit der Kita soll eine dunkle Fassade erhalten? Spielen Argumente der Aufheizung des Gebäudes und der Abstrahlung der Hitze an die Nachbarschaft eine Rolle bei der Evaluation des Entwurfs? (Die Kita ist immerhin nach Süd-Westen ausgerichtet.)

In der Bewertung des in Rede stehenden Entwurfs wurde die Verschattung der Gebäude untereinander als wenig günstig beurteilt. Warum enthält die Tabelle keinen Punkt zur Verschattung der Nachbarschaft? Ist die Stadt nicht verpflichtet, die Interessen aller Bürger zu wahren? Ich bitte hier um nachträgliche Bewertung des Punktes „Verschattung” auf die Häuser in der Moselstraße und um Information.

In der Bewertung des Entwurfs ist das lichte Deckenmaß von 2,90 m im Bereich des „freifinanzierten Wohnungsmixes” angegeben. Mich interessiert, ob diese luxuriöse Deckenhöhe auch im Bereich der „geförderten Wohnungen” angedacht ist. Wie hoch ist das lichte Deckenmaß? In diesem Zusammenhang mache ich auf die zu erwartenden höheren Heizkosten aufmerksam, die ggf. von der Stadt getragen werden müssen. Des weiteren bitte ich um Stellungnahme, welche CO2-Einsparungen durch eine Deckenhöhe von üblichen 2,50 m gegenüber der angedachten Deckenhöhe zu erwarten ist (für alle 127 geförderten Wohnungen gemeinsam würde mir reichen).

Zuletzt bitte ich um Information zur exakten Traufhöhe der Wohngebäude im Bereich der Moselstraße.

Mir ist klar, dass sich die Stadt vor dem Hintergrund des Klimawandels, der Entwicklung der Immobilienpreise und der Mieten einer komplexen Problemstellung gegenüber sieht. Diese wird allerdings nach meiner Wahrnehmung nicht ausreichend komplex beantwortet. Vor allem die auf Erhalt der Lebensqualität ausgerichteten Ziele werden unterbewertet. So fordert beispielsweise der Geschäftsführer des bekannten Bonner Wetterdienstes Donnerwetter eindringlich viel mehr Bäume (und Efeu) in der Stadt, um das Klima in den nächsten Jahren auf einem erträglichen Maße zu halten. Es ist für mich und für viele Anrainer des Grundstücks unverständlich wie mit klimarelevanten Ressourcen umgegangen zu werden scheint. Hier bitte ich eindringlich um mehr Transparenz, mehr Beteiligung und um Korrektur.

Denken Sie nur daran, was alles während des Lockdowns möglich war. Und fragen Sie sich, ob wir ganz andere, aber genauso fordernde klimatischen Szenarien zu gewärtigen haben werden, die nicht nach 10 Wochen zurückgefahren werden können.